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Wer spricht hier von Reformen?


Jetzt ist es also soweit und die "größte Steuerreform aller Zeiten" ist beschlossen. Bis auf einige kleinere Änderungen wird sich hier inhaltlich nicht mehr allzu viel bewegen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Mitterlehner (ÖVP) lassen seit Tagen keine Möglichkeit aus um zu betonen wie viel an Entlastung diese Reform den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes nicht bringen soll. Ganze 4,9 Milliarden Euro sollen alleine in die Tarifentlastung fließen. Am 17. Juni soll die Reform im Parlament beschlossen werden und per 1. Jänner 2016 (statt wie ursprünglich geplant per Juli 2015) in Kraft treten.

Die Arbeiterkammer (AK) und der Gewerkschaftsbund (ÖGB) loben die Reform in höchsten Tönen. Beim Wirtschaftsbund und der Bauernschaft ist die Stimmung schon etwas verhaltener, vermisst man doch eine längst überfällige Strukturreform und bezweifelt zu Recht das äußerst schwammige Konzept der Gegenfinanzierung. Die erweiterte (und sinnvolle) Registrierkassenpflicht und die Streichung etlicher Steuerbegünstigungen stoßen vor allem der jungen Wirtschaft sauer auf.

Doch heute will ich mich in erster Linie mit den Folgen der Steuerreform für die Sozialdemokratie beschäftigen. Pochte man vor allem auf Seiten der roten Gewerkschafter immer auf die Einführung einer Vermögens- und Erbschaftssteuer stellt sich jetzt die Frage, ob die SPÖ  wieder im "Liegen umgefallen" ist.

Viel versprechen, wenig halten

Die Ausgangssituation für die Einführung von Vermögenssteuern war eigentlich so günstig wie seit Jahren nicht mehr. Nicht nur die anhaltende Wirtschaftskrise brachte ein Umdenken in der Steuerpolitik mit sich. Auch Bundeskanzler Faymann kämpfte Hand in Hand mit AK und ÖGB für eine Einführung beziehungsweise für die Wiedereinführung, der unter Kanzler Gusenbauer (SPÖ) abgeschafften (ganz korrekt wäre ausgelaufene) Erbschaftssteuer. Eine große (und wachsende) Zahl an Ökonomen spricht sich für die Einführung der oben genannten Steuern aus, um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und der immer extremeren Vermögenskonzentration entgegenzuwirken.

Das oftmals nicht nur von konservativer Seite vorgebrachte Argument, das vermögensbezogene Steuern nichts einbringen ist nachweislich falsch und die Mär von den negativen Folgen einer Erbschaftssteuer ebenso. Warum also hat es die SPÖ trotz bester Voraussetzungen wieder nicht geschafft eben diese Steuern als Gegenfinanzierung einzuführen?

Der Versuch einer Erklärung

Seit Beginn der Verhandlungen mit der Volkspartei beharrte Kanzler Faymann und das Gespann aus AK und ÖGB auf die Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuer als Teil der Gegenfinanzierung. Jetzt bin ich für meinen Teil kein besonders großer Freund des Kanzlers, aber ausnahmsweise hat er hier einmal auf das richtige Pferd gesetzt. Ob Faymann und sein Verhandlungsteam ernsthaft an die Durchsetzung dieser Steuern geglaubt haben, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Nicht wenige JournalistInnen und Teile der Opposition befanden nach der Präsentation der Reform, dass die SPÖ ihre Forderungen gegenüber der Volkspartei erneut nicht durchsetzen konnten. Von MinisterInnen abwärts bis zur Gewerkschaft wird man aber trotzdem nicht müde zu erklären, wie toll diese Reform nicht geworden ist. "Mehr Netto vom Brutto" sollte es werden und das ist es auch. Nur rechtfertigt diese Tarifanpassung die langen Verhandlungen? Und werden die Maßnahmen ausreichen um diese Reform auch tatsächlich zu finanzieren?

Die inoffizielle Denkfabrik der SPÖ, oftmals auch zu Unrecht als "Splittergruppe" bezeichnete Sektion 8  hat wieder gut recherchiert, um zu erklären warum die Reform trotz Ausbleiben der klassischen Vermögens und Erbschaftssteuer kein totales Debakel darstellt.

Nun bin ich doch zumindest zu geschätzten 70% einer Meinung mit der Alsergrunder Sektion, aber die politische Realität sieht leider anders aus und kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die SPÖ sich zum wiederholten Male nicht durchsetzen konnte.

Schon alleine die Überschrift des Blog Eintrages: "Die Chancen & Gefahren liegen im Detail. Vermögens- und Erbschaftssteuer müssen spätestens dann kommen, wenn sich die Gegenfinanzierung als unhaltbar herausstellt." machte mich irgendwie stutzig.

Es wird gleich zu Beginn der Eindruck erweckt, dass die Regierung sich dieses Entlastungspaket auf Pump erkauft haben könnte, nur um keine tiefgreifenden Strukturreformen angehen zu müssen, die in der Kombination SPÖ/ÖVP schwer (wenn nicht unmöglich) zu verwirklichen sind. Auf die geplanten Einsparungen in "Verwaltung und Föderalismus" wird nicht näher eingegangen, es bleibt alles sehr sehr vage.

Die Conclusio der Sektions AktivistInnen "An Erbschafts- & Schenkungsteuer sowie an einer allgemeinen Vermögensteuer führt jedenfalls auch in Zukunft – aus ökonomischer, verteilungspolitischer aber vor allem auch aus sozialdemokratischer Sicht – kein Weg vorbei." mag sich zwar gewohnt kämpferisch anhören, aber in der Realität hat die SPÖ durch ihren Verzicht auf diese Steuern ihre Einführung auf Jahre hinweg verbaut. Da wären wir dann wieder, bei der berühmten "Hätti-wari-tati"-Politik. Warum Faymann und Co dieser Reform schlussendlich trotzdem zugestimmt haben, lässt sich wohl in erster Linie mit drei Dingen erklären:

Der Druck der Länder vor dem diesjährigen Superwahljahr war wohl entsprechend groß. Ein Erfolg musste her, ob dieser jetzt nachhaltig wirkt, spielte dabei keine Rolle.

Die SPÖ muss in der Regierung bleiben und darf keine Neuwahlen provozieren, bei denen sie vielleicht auf dem dritten Platz und damit wahrscheinlich auf der Oppositionsbank landen würde. Also wurde nach dem Motto "retten, was noch zu retten ist" zähneknirschend die Blockade der Volkspartei akzeptiert.


Für Faymann war diese Reform die letzte Chance nicht im politischen Nirwana zu verschwinden und Chaos in der Partei auszulösen. Bis auf vereinzelte Kritik in den eigenen Reihen ist es ihm auch gelungen, die Basis wieder zu befrieden. Vorerst...


Der große Gewinner dieser Reform (eher Tarifanpassung) wird am Ende vielleicht NIEMAND sein. Auf eventuelle Risiken wie Bankenrettung oder massiv schlechter werdender Wirtschaftslage, die die ohnehin prekäre Gegenfinanzierung gefährden wird nicht wirklich eingegangen. Diese Dinge greift der Wirtschaftsstatistiker und Journalist, Josef Falkinger in einem Mosaik-Blog Eintrag auf und kritisiert die Entscheidung des Parteivorstandes diese Reform so durchzuziehen.

Meine Meinung dazu:

Wenn die SPÖ sich nicht endlich dazu durchringt Dinge, die sie im Wahlkampf propagiert auch durchzusetzen, gibt es eigentlich keinen wirklichen Grund mehr SPÖ zu wählen. Dieser elendigliche Pragmatismus weiter Teile der Sozialdemokratie ist unerträglich geworden.

Regieren um jeden Preis, dafür ohne Inhalte. Das ist mir zu wenig.


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